Wenn ein Arbeitsverhältnis endet und eine Abfindung gezahlt wird, stellt sich oft die Frage, wie sich diese Zahlung auf das Arbeitslosengeld I (ALG I) auswirkt. Nicht selten führt die Abfindung zu einer Verzögerung oder Kürzung der ALG-I-Zahlungen. Hier erfahren Sie, unter welchen Bedingungen die Anrechnung erfolgt, wie sich Ruhezeiten berechnen und wie eine Sperrzeit vermieden werden kann.
Wird die Abfindung auf das Arbeitslosengeld I angerechnet?
Grundsätzlich wird eine Abfindung nicht direkt auf das ALG I angerechnet, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Entlassungsentschädigung: Die Abfindung muss als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden. Dies kann im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung, eines Aufhebungsvertrags oder nach einer Kündigungsschutzklage geschehen.
- Einhaltung der Kündigungsfrist: Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich oder gesetzlich festgelegten Kündigungsfrist, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Einhaltung der Kündigungsfrist ist also entscheidend.
- Kündigungsgrund: Bei einer verhaltensbedingten Kündigung oder einer eigenen Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten andere Regelungen, die zu einer Sperrzeit führen können.
Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet § 158 SGB III.
Ruhezeit: Verzögerung der ALG-I-Zahlung
Wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet, also vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, wird die Zahlung des Arbeitslosengeldes ausgesetzt. Dieser Zeitraum wird als Ruhezeit bezeichnet (§ 158 SGB III).
Die Ruhezeit führt zu einer zeitlichen Verschiebung des ALG-I-Anspruchs, jedoch nicht zu dessen vollständigem Verlust. Das bedeutet: Der gesamte Anspruch auf Arbeitslosengeld bleibt bestehen, nur der Beginn der Auszahlung verzögert sich. Der Gesetzgeber möchte so verhindern, dass während einer „verkauften“ Kündigungsfrist Arbeitslosengeld gezahlt wird.
Wichtig: Die Ruhezeit kann höchstens bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist dauern – maximal jedoch ein Jahr.
Berechnung der Ruhezeit
Die genaue Dauer der Ruhezeit hängt von drei Faktoren ab:
- Höhe der Abfindung
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Alter des Arbeitnehmers
Beispiel zur Berechnung:
- Ein Arbeitnehmer (44 Jahre) erhält eine Abfindung von 25.000 Euro.
- Er war 10 Jahre im Unternehmen tätig und hatte ein tägliches Bruttogehalt von 250 Euro.
- Die Kündigungsfrist wurde um 60 Tage unterschritten.
Schritt 1: Die Bundesagentur für Arbeit berechnet, welcher Anteil der Abfindung angerechnet wird (z. B. 45 %). In diesem Fall wären es 11.250 Euro.
Schritt 2: Die Tage, für die dieser Betrag angerechnet wird, werden ermittelt: Bei einem Tagesverdienst von 250 Euro ergibt sich eine Ruhezeit von 45 Tagen.
Wenn die Kündigungsfrist um 60 Tage verkürzt wurde, reduziert sich die Ruhezeit in diesem Beispiel auf 45 Tage. Wichtig ist, dass die Ruhezeit nicht länger sein darf als die eigentliche Kündigungsfrist.
Unterschied zwischen Ruhezeit und Sperrzeit
Ruhezeit und Sperrzeit sind zwei unterschiedliche Regelungen:
- Bei der Ruhezeit wird die Auszahlung des Arbeitslosengeldes nur zeitlich verschoben. Der Gesamtanspruch bleibt unberührt.
- Eine Sperrzeit hingegen führt zu einem Verlust von Leistungen. Sie tritt ein, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit selbst verursacht hat (z. B. durch Eigenkündigung oder verhaltensbedingte Kündigung).
Die Sperrzeit beträgt in der Regel 12 Wochen (§ 159 SGB III). Sie kann auch bei einem Aufhebungsvertrag verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer keinen „wichtigen Grund“ für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachweisen kann.
Abfindung und Arbeitslosengeld II (Bürgergeld)
Anders als beim ALG I hat eine Abfindung beim Bezug von Arbeitslosengeld II (Bürgergeld) direkte Auswirkungen. Eine Abfindung gilt in diesem Fall als Vermögen, das den Anspruch auf Bürgergeld reduzieren oder sogar komplett entfallen lassen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Abfindung verspätet ausgezahlt wird.
Wichtige Tipps zur Vermeidung von Nachteilen
- Kündigungsfrist einhalten: Achten Sie darauf, dass die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wird, um eine Ruhezeit zu vermeiden.
- Aufhebungsverträge sorgfältig prüfen: Ein Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit führen. Lassen Sie diesen vor Unterzeichnung prüfen.
- Rechtzeitig informieren: Melden Sie sich frühzeitig bei der Arbeitsagentur, um den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu gefährden.
- Auswirkungen auf Krankenversicherung beachten: Während der Ruhezeit besteht keine gesetzliche Krankenversicherung. Prüfen Sie daher rechtzeitig Ihre Versicherungssituation.
Fazit
Eine Abfindung kann die Zahlung von Arbeitslosengeld I verzögern, wenn die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wird. Diese Verzögerung wird als Ruhezeit bezeichnet. Eine direkte Anrechnung auf die Höhe des ALG I erfolgt jedoch nicht. Anders sieht es bei einer Sperrzeit aus, die dann droht, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Handeln die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
Wer die Regelungen zur Ruhezeit und Sperrzeit kennt und seine Kündigungsvereinbarungen entsprechend gestaltet, kann finanzielle Nachteile vermeiden und seine Ansprüche optimal sichern.